Ergebnis der UN-Staatenprüfung: Österreich setzt UN-Behindertenrechtskonvention besorgniserregend wenig um.
Föderalismusproblem, Rückschritte bei Inklusiver Bildung und keine Maßnahmen für Frauen mit Behinderungen
Mit der Veröffentlichung der Handlungsempfehlungen des Fachausschuss für die Rechte von Menschen mit Behinderungen der Vereinten Nationen am Abend des 11.09.2023 ist die Staatenprüfung Österreichs beendet. Die kritischen und detaillierten Handlungsempfehlungen des UN-Fachausschuss rufen den Staat Österreich zu dringendem Handeln bei vielen Themen auf – insbesondere bei der Inklusiven Bildung. Zu diesem Thema brachte der Monitoringausschuss einen Sonderbericht in Genf ein. Als Überwachungsorgan über die Umsetzung der UN-Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderungen in Österreich begrüßt der Unabhängige Monitoringausschuss die Ausführlichkeit und Präzision der Handlungsempfehlungen.
„Das Ergebnis der UN-Staatenprüfung zeigt deutlich auf, dass wir in vielen Bereichen auch nach 15 Jahren nicht weitergekommen sind. Bei Inklusiver Bildung und Barrierefreiheit gab es Rückschritte, Lebensrealitäten von Frauen mit Behinderungen werden ignoriert, bei der De-Institutionalisierung herrscht Stillstand. Der Monitoringausschuss erwartet, dass das Ergebnis der Staatenprüfung ernst genommen wird und die Empfehlungen des UN-Fachausschusses umgesetzt werden. Die Botschaft der Vereinten Nationen ist klar: die Schonfrist ist um, jetzt muss Österreich schnell in ein konkretes und umfassendes Handeln kommen.“ Tobias Buchner (Vorsitzteam Monitoringausschuss)
Auf Basis der Berichte des Staates Österreich, der Überwachungsorgane und der Zivilgesellschaft sowie dem Prüfungsverfahren in Genf gelangt der UN-Fachausschuss auf 16 Seiten zu einer präzisen Einschätzung der Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention in Österreich.
Dementsprechend zeigen die Vereinten Nationen im Dokument die größten Probleme Österreichs bei der Umsetzung der Konvention auf:
- Österreich verharrt im medizinischen Modell von Behinderung – auf gesetzlicher, politischer und gesellschaftlicher Ebene. Menschen mit Behinderungen werden nach wie vor auf Basis ihrer medizinischen Diagnosen beurteilt und kategorisiert – und nicht in den Blick genommen, welche Unterstützung sie brauchen bzw. wo sie von der Gesellschaft behindert werden.
- Die selbstbestimmte Lebensführung von Menschen mit Behinderungen ist eines der prägenden Kernelemente der UN-Konvention – doch zu De-Institutionalisierung gibt es auch nach 15 Jahren weder ernsthafte Bemühungen noch einen Plan.
- Die Bundesländer schenken der UN-Behindertenrechtskonvention kaum Beachtung.
- Durch wiederholte Hinweise auf Frauen und Mädchen mit Behinderungen, geflüchteten Menschen mit Behinderungen, oder Menschen mit Behinderungen die auch Teil der LGBTQIA+-Community, zeigt der UN-Fachausschuss auf, dass Intersektionale Diskriminierung in der Österreichischen Behindertenpolitik übergangen wird.
Im Vergleich mit der letzten Staatenprüfung 2013 zeigt sich eine deutliche Verschärfung des Tonfalls des UN-Fachausschusses. Statt wie zuletzt 2013 immer wieder für Fortschritte gelobt zu werden, zeigt der UN-Fachausschuss detailliert und umfangreich auf, dass Österreich schon sehr viel weiter sein sollte.
„Der Staat Österreich muss das Ergebnis der UN-Staatenprüfung als richtungsweisende Anleitung hin zur Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention behandeln. Bei Inklusiver Bildung, Barrierefreiheit und Selbstbestimmtem Leben außerhalb von Institutionen muss endlich die richtige Richtung eingeschlagen werden. Zu Frauen und Mädchen mit Behinderungen muss Österreich überhaupt erst anfangen, einen Weg zu gehen“ schließt Daniela Rammel (Vorsitzteam) die Analyse der Handlungsempfehlungen ab.
Die nächste Staatenprüfung Österreichs findet 2030 statt. Der Unabhängige Monitoringausschuss überwacht laufend die Umsetzung der UN-Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderungen entsprechend seinem gesetzlichen Auftrag.