Inklusion statt Sondereinrichtungen – Behindertenrechtskonvention endlich umsetzen!
Monitoringorgane fordern Stufenplan zum konsequenten Abbau von Sondereinrichtungen und den Ausbau von Unterstützungsangeboten
Die Unterbringung in Sondereinrichtungen ist mit Einschränkungen in der persönlichen Freiheit, sozialer Isolation und für viele Menschen auch mit Gewalterfahrungen verbunden. Die Covid-19-Pandemie verschärft diese Tendenzen nicht nur, sie zeigt auch deutlich, dass institutionalisiert lebende Menschen übermäßig lange und intensiv von Grundrechtseinschnitten betroffen sind. „Die beste Prävention gegen Diskriminierung, Gewalt und gesellschaftliche Ausgrenzung ist es, Bedingungen zu schaffen, damit Menschen mit Behinderungen unabhängig und selbstbestimmt leben können
“, hält Christine Steger fest. Sie ist Vorsitzende des Unabhängigen Monitoringausschusses, der die Einhaltung der UN-Behindertenrechtskonvention (UN-BRK) auf Bundesebene überwacht. „Es ist völlig unverständlich, warum weiterhin Geld und Zeit in den Neubau von Einrichtungen investiert wird, die Teil eines veralteten Systems sind
“, so Steger.
Artikel 19 der UN-BRK hält das Recht auf selbstbestimmtes Leben und Inklusion in der Gemeinschaft fest und ist damit mit Sondereinrichtungen nicht vereinbar. Es brauche eine länderübergreifende Strategie, die festhält, mit welchen Schritten Österreich dieses Ziel der UN-Konvention erreichen wird. „Anstatt die Ausgrenzung durch ,Sonder-Welten‘ zu forcieren, muss der Ausbau der Persönlichen Assistenz für alle Menschen mit Behinderungen erfolgen“, schließt Steger ab.
Salzburg – Inklusion nur auf dem Papier?
„Wir bekennen uns zur Förderung der gesellschaftlichen Inklusion von Menschen mit Behinderungen als gleichberechtigte Mitglieder der Gesellschaft“, steht im Programm der Salzburger Landesregierung. In der Praxis wurden jüngst wieder Signale gesetzt, die in die entgegengesetzte Richtung weisen. Nach dem heftig kritisierten Neubau der „Landesinstitution Konradinum“ wird mit 2,7 Mio. Euro eine weitere Sondereinrichtung für Menschen im Autismus-Spektrum geschaffen. Aktuell wird in Salzburg ein Aktionsplan zur Umsetzung der UN-BRK erarbeitet. Der Salzburger Monitoringausschuss weist in seiner Funktion als Überwachungsorgan darauf hin, dass dieser auch konkrete Ziele und Maßnahmen zum systematischen Abbau von Sondereinrichtungen beinhalten muss. Gleichzeitig sind Unterstützungsstrukturen für ein selbstbestimmtes Leben mitten in der Gesellschaft auszubauen. „Inklusion bedeutet nicht, ausgrenzende Einrichtungen für Menschen mit Behinderungen unter dem Vorwand der bestmöglichen Versorgung zu errichten. Menschen, die in Heimen leben, sind aufgrund der räumlichen und sozialen Abschirmung von der übrigen Gesellschaft kaum sichtbar. Inklusion bedeutet, miteinander und gleichberechtigt in der Gesellschaft leben zu können
“, betont Karin Astegger, Vorsitzende des Salzburger Monitoringausschusses.
Tirol – „Wohnen wie alle Menschen“
Auch der Tiroler Monitoringausschuss beschäftigte sich ausgiebig mit dem Thema „Wohnen wie alle Menschen“ und publizierte dazu jüngst eine hilfreiche Handreichung. Diese beinhaltet einen Fragenkatalog, mit dem alle Beteiligten – Menschen mit Behinderungen, Dienstleister*innen, Kostenträger*innen und Vertreter*innen der Politik – die jeweilige Wohnsituation prüfen bzw. umgestalten können. Durch die Auseinandersetzung mit dem Fragenkatalog können Defizite aufgedeckt werden, die vielfach während der Corona-Krise noch extremer hervorgetreten sind. Die Handreichung soll eine Orientierungshilfe bieten. „Wir sprechen vom Abbau von veralteten Strukturen und wollen gleichzeitig aufzeigen, wie gemeindenahes und selbstbestimmtes Leben aussehen muss. So wird das Thema auch konkret diskutierbar
“, so Isolde Kafka, Vorsitzende des Tiroler Monitoringausschusses. Zukünftig soll es auch Schulungen dazu geben.
Der Schattenbericht aller Ländermonitoringorgane analysiert die aktuelle Situation von Menschen mit Behinderungen in Österreich und zeigt auf, bei welchen weiteren Thematiken dringender Handlungsbedarf besteht.