Maßnahmenvollzug: Reformbedarf nicht nur für Justiz
Der unabhängige und weisungsfreie Monitoringausschuss zur Überwachung der Einhaltung der Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderungen sieht auf Grund seiner Gespräche mit untergebrachten Personen dramatischen Reformbedarf rund um den Maßnahmenvollzug; auch außerhalb der Justiz.
Der Ausschuss, der in der Arbeitsgruppe von Justizminister Prof. Brandstetter vertreten war, zeigt in seiner jüngsten Stellungnahme die strukturelle Gewalt auf, die durch die mangelnde Trennung von der Strafhaft, unzureichende Therapie, vor allem aber die unbegrenzte und aussichtlose Anhaltung von Menschen im Maßnahmenvollzug entsteht.
„Im Maßnahmenvollzug werden Menschenrechte verletzt, in manchen Bereichen systematisch“, so die Ausschuss-Vorsitzende Dr.in Marianne Schulze, LL.M. über „die tiefgreifenden Missstände in der Feststellung der Notwendigkeit einer Maßnahme, Therapiemöglichkeiten, Unterbringungsstandards und der Beendigung von Maßnahmen“.
„Das Sicherheitsdenken ist so vorherrschend, dass sicherheitshalber nichts gemacht wird“, zitiert der Ausschuss einen der Selbstvertreter, die der Ausschuss konventionsgemäß in der Stellungnahme zu Wort kommen lässt.
Im Ergebnis ist es für die meisten „psychische und seelische Folter mit jahrelanger scheinheiliger Begründung“, zitiert der Ausschuss einen weiteren Selbstvertreter und pflichtet der Frage eines anderen Untergebrachten bei: „Wie kann es sein, dass in einer Demokratie eine Minderheit völlig hilflos und wehrlos einem System, gekennzeichnet von wissenschaftlichem Missbrauch, ausgeliefert wird?“
„Das Hauptziel des Maßnahmenvollzugs, die Resozialisierung, ist völlig verloren gegangen“, konstatiert die Vorsitzende. Es braucht ein Bündel an Maßnahmen, um gemeindenahe Einrichtungen zu ermöglichen, um jene, die momentan inhaftiert sind, zu integrieren.
Weiters betont der Ausschuss die Konsequenzen der völlig verzerrten Darstellung von Menschen, die in der Maßnahme angehalten werden: Der – angebliche – Bedarf nach Feindbildern in Form von Monstren und Bestien verstellt die Sicht auf Menschen, denen de facto jede Chance auf Resozialisierung genommen wird.
Der Ausschuss fordert daher nachdrücklich eine Rückbesinnung auf die Risiken, die eine Gesellschaft eingehen muss, um Resozialisierung in Form von Sicherheit durch Nähe zu realisieren. Denn Sicherheit durch Distanz widerspricht nicht nur dem Resozialisierungsprinzip, diese Herangehensweise ist in den Fehlentwicklungen des Maßnahmenvollzugs der letzten Jahre klar und unter Missachtung der Menschenrechte gescheitert.
Die Stellungnahme, die auf Rückmeldungen von SelbstvertreterInnen – Menschen, die derzeit in einer Maßnahme in Österreich angehalten werden – basiert, ist unter www.monitoringausschuss.at abrufbar.
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