Barrieren in Krankenanstalten abbauen!
Vergangenen Dienstag fand in Wien eine öffentliche Sitzung des Unabhängigen Monitoringausschusses und der Wiener Monitoringstelle zum Thema „Barrierefreiheit in Krankenanstalten“ statt. Zu diesem Anlass war auch der Krankenanstaltenverbund eingeladen, der den Expert*innen der Wiener Monitoringstelle die Türen zu einer Begehung öffnete. Diese sammelten in drei KAV-Krankenhäusern ihre Eindrücke zu noch vorherrschenden Barrieren und Barrierefreiheit und präsentierten ihre Ergebnisse.
Von Hannah Wahl
Mehrdimensionalität von Barrieren erkennen
Das Verständnis von Barrieren ist oft auf bauliche Barrieren, wie beispielsweise Stufen oder zu enge, nicht rollstuhlgerechte Toilettenanlagen beschränkt. Es existieren jedoch noch andere Dimensionen, wie Erich Girlek, Selbstvertreter und Mitglied des Unabhängigen Monitoringausschusses, erklärte: unter anderem auch Sprachbarrieren, soziale Barrieren, ökonomische Barrieren oder Verständnisbarrieren. Tief verwurzelte Vorurteile und Stereotype stellen soziale Barrieren dar, die Menschen mit Behinderungen an den Rand der Gesellschaft drängen. Christine Steger, Vorsitzende des Unabhängigen Monitoringausschusses, erläutert: „Zu komplizierte Sprache in allen Bereichen des Lebens kann zur Barriere werden. Bei einem Aufenthalt in einem Spital muss man alles verstehen. Die Unterlagen, aber auch die Gespräche mit den Menschen, die dort arbeiten.“
Girlek machte mit seinem Beitrag deutlich, dass soziale bzw. menschliche Barrieren nur beseitigt werden können, wenn sich alle Menschen auf Augenhöhe begegnen. „Sehr wichtig ist auch, dass das Wissen von Expertinnen und Experten in eigener Sache anerkannt wird. Nach dem Grundsatz: Nichts über uns – ohne uns“.
Festgeschrieben sind die Rechte auf gleichberechtigte Teilhabe und selbstbestimmtes Leben in der UN-Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderungen. Die Einhaltung und Umsetzung dieser Konvention wird in Österreich auf Bundesebene vom Unabhängigen Monitoringausschuss überwacht. Ein zentraler Punkt ist dabei das Recht auf umfassende Barrierefreiheit – natürlich auch in Krankenanstalten: Artikel 9 der Konvention hält das Recht der unabhängigen und somit barrierefreien Lebensführung sowie volle Teilhabe in allen Bereichen fest. Artikel 25 beinhaltet das Recht auf gleichberechtigte und diskriminierungsfreie Inanspruchnahme von Gesundheitsleistungen.
Meist ist es mit einer punktuellen Maßnahme jedoch nichtgetan, denn Barrierefreiheit sei „eine Einstellung – keine Checkliste!“, betont Steger. „Erst wenn wir beginnen, barrierefrei zu denken, können Hindernisse in allen Dimensionen wirklich beseitigt werden. Das fängt damit an, dass Menschen mit Behinderungen überall mitgedacht sein müssen. Das bedeutet auch, dass wir Menschen mit Behinderungen gefragt werden und selbstverständlich am Tisch der Entscheidung sitzen.“
Barrierefreiheit in Wiener Krankenanstalten
Anna Maria Hosenseidl und Oswald Föller sind in jenem Team der Wiener Monitoringstelle, das die Begehungen in drei Krankenhäuser des Krankenanstaltenverbundes (KAV) – das Wilhelminenspital, das Krankenhaus Floridsdorf sowie das Donauspital – durchgeführt hat. Diese Auswahl wurde getroffen, damit drei unterschiedlich alte Gebäude in Augenschein genommen werden können. Hosenseidl stellte den umfassenden Fragebogen vor: Wie finde ich das passende Spital? Wie erfolgt die Aufnahme? Wie ist das Spital? Wie komme ich zurecht? (Als Mensch mit Sehbehinderungen, Hörbehinderungen, körperlichen Behinderungen und Lernschwierigkeiten) Wie erfolgt die Entlassung? Wie ist die Kommunikation? (z.B. Gebärdensprache, non-verbale Kommunikation). Anschließend erläuterte Oswald Föllerer die Eindrücke der Begehung: Im Wilhelminenspital sei positiv aufgefallen, dass viel umgebaut wird und man bemüht sei, Toiletten, Bäder und Informationationstafeln barrierefrei zu gestalten. Die große Krankenhausanlage bestehe aus unterschiedlich alten Gebäuden, wobei bei den älteren, teilweise unter Denkmalschutz stehenden, noch nicht über Barrierefreiheit gesprochen wurde.
Bei der Besichtigung des Donauspitals wurde der barrierefreie Einfang mit Lift und Rampe sowie das taktile Leitsystem für blinde Menschen, das bis zur Eingangstür führt, positiv aufgenommen. Bezüglich der Toiletten müsse man jedoch noch einiges verbessern: Sie müssen für Menschen mit Behinderungen auffindbar sein und genug Platz für Menschen mit Hilfsmitteln bieten. Föllerer betonte: „Barrierefreies Planen und Bauen soll automatisch stattfinden. Bei Neubauten muss gleich an Barrierefreiheit gedacht werden!“. Michael Fink, Vorsitzender der Wiener Monitoringstelle stellt fest, dass umfassende Barrierefreiheit allen Menschen zu Gute komme: Menschen mit Behinderungen, älteren Menschen, aber auch Müttern und Vätern, die z.B. mit einem Kinderwagen unterwegs sind.
Reinhard Faber, Leiter der Stabsstelle Gender- und Diversitätsmanagement im KAV, berichtete an diesem Tag von der Barrierefreiheit im KAV aus Sicht des Personals. Faber machte dabei deutlich, dass der KAV sich verstärkt dem Thema annehmen wolle und daher die längerfristige Zusammenarbeit mit der Wiener Monitoringstelle und die Erfahrungen aus dem Publikum wichtig seien um Hinweise zu erhalten, wo der KAV bereits Kriterien zur Barrierefreiheit erfülle, und wo Nachholbedarf bestehe.
Teilnehmer*innen am Wort
Zahlreiche Teilnehmer*innen waren zur öffentlichen Sitzung gekommen, um ihre Erfahrungen zu teilen und auf Missstände in Bezug auf Barrierefreiheit in österreichischen Krankenanstalten aufmerksam zu machen. Deutlich wurde, dass die Sprache von Ärzt*innen und des Pflegepersonals oft zu kompliziert ist und nicht verstanden wird. Auch die Anmeldung im Krankenhaus sei nicht barrierefrei: Alle Patient*innen werden bei der Aufnahme aufgerufen, dabei passiert es schon mal, dass gehörlose Personen nicht alternativ verständigt werden und ihren Termin verpassen. Viel zu oft werden Menschen mit Lernschwierigkeiten oder psychosozialen Behinderungen nicht mehr ernst genommen, sobald sie als solche kategorisiert werden. Hier seien dringend Sensibilisierungsmaßnahmen erforderlich.
Begleitpersonen von Patient*innen mit Behinderungen sind für Ärzt*innen und Fachpersonal meistens die primären Ansprechpartner*innen, obwohl sie nur zur Unterstützung mitgekommen sind. Berichtet wird zudem davon, dass Mediziner*innen Eltern von gehörlosen Kindern teilweise massiv zu einer Cochlea-Implantierung – einer Hörprothese – drängen, obwohl das ausdrücklich nicht gewünscht wird.
Stellungnahme geplant
Unabhängiger Monitoringausschuss und Wiener Monitoringstelle werden eine Stellungnahme zum Thema „Barrierefreiheit in Krankenanstalten“ veröffentlichen. Alle Wortmeldungen und Erfahrungsberichte der Teilnehmer*innen an der öffentlichen Sitzung werden dabei einfließen. Bis 7. Jänner 2020 gibt es auch die Möglichkeit für alle, die nicht teilnehmen konnten, ihre Erfahrungen oder ein Statement schriftlich abzugeben: buero@monitoringausschuss.at.
Das Sitzungsprotokoll sowie die folgende Stellungnahme wird unter www.monitoringausschuss.at abrufbar sein.
Die Zusammenarbeit der Arbeitsgruppe der Wiener Monitoringstelle mit dem Krankenanstaltenverbund wird auch zukünftig noch fortgesetzt und der Prozess hin zur einer barrierefreieren Krankenanstalt begleitet.
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